Meine unbekannten und doch geliebten Eltern

Ich bedanke mich in aller Aufrichtigkeit dafür, dass ihr mir das Leben geschenkt habt. Ich verneige mich davor, dass ihr euch gemäss dem himmlischen Seelenplan in eurer Liebe dafür zur Verfügung gestellt habt, euch als meine Eltern auf dem Lernplaneten Erde zur Verfügung zu stellen. Auch wenn ich damals als Kind noch nicht geboren war und der Leib meiner Mutter mir als vorübergehende Heimat diente, so fühlte ich doch schon damals den unendlichen Schmerz, dass ich von euch als meine leiblichen Eltern unerwünscht und ungeliebt war. Ich weiss, ihr versuchtet in eurer Liebe zueinander alles besser zu machen, als ihr auf eurem eigenen Weg erfahren habt und erleben musstet. Ich verstehe, dass ihr auf der Suche nach der bedingungslosen Liebe gewesen seid, die ihr leider Gottes Zeit eures Lebens nicht fandet. Ihr habt den Mut, warum auch immer, nie gefunden, jeder für sich, mit sich selbst auseinanderzusetzen.

Als ich geboren wurde, habt ihr gesehen, dass ich ein Baby war, euer Sohn, der die ganze Liebe von euch brauchte, die ihr ihm aber nicht geben konntet, weil ihr nicht in der Lage gewesen seid, sie ihm zu schenken. Als euer eigenes Fleisch und Blut fühlte ich, dass ich euer energetisches Erbe und damit die Sehnsucht nach der bedingungslosen Liebe, die wir von unserer ewigen Heimat her kennen, weiterzutragen habe. Es bedeutete für mich aber auch, einen Weg zu gehen, den ich mir zusammen mit euch ausgesucht habe, um gemeinsam unsere Probleme, die wir seit Generationen mit uns herumschleppten, zu lösen. Als unschuldiges Kind war ich geboren, um euch einen möglichen Weg der reinen, bedingungslosen aufzuzeigen. Die Furcht liess euch jedoch unerwartete Entscheidungen treffen, so dass der ausgesäte Samen auf den fruchtlosen, verdörrten Boden fiel. Schnell schon musste ich erfahren, dass die Generationenprobleme der unerfüllten Liebe und des Ausgestossen-Werdens, des nicht Angenommen-Seins sowie der fehlenden Wertschätzung und Anerkennung der Familie und deren Mitglieder gegenüber, für euch der einfachere Weg und damit das Durchtrennen der familiären Bande gewesen ist. Es bedeutete für mich gleichzeitig, als ich älter wurde, obwohl ich gut behütet in der grosselterlichen Obhut aufwachsen durfte, dass ich für lange Zeit von den Nächsten und einem Teil der Gesellschaft ausgestossen sein werde. Die einen nannten mich Nichtsnutz ohne Eltern, die anderen Versager. Wiederum gab es jene, die mich mieden, weil ich zu sensibel für sie und die Welt war. Und da waren auch noch die anderen, die mich schliesslich nur dann liebten, wenn ich so und so war, aber niemals so, wie ich bin. Einige Menschen erkannten dabei sogar, dass wir eigentlich alle das gleiche Ziel haben: nämlich so geliebt, wertgeschätzt und anerkannt zu werden, wie wir sind. Für die einen waren die Stiche in das Herz lediglich etwas, was man halt so sagt. Für die anderen waren die Schläge in die Kinderseele nur ein Verhalten, um sich lustig über mich zu machen, weil sie mich nicht verstehen konnten. Kinder und Erwachsene, die immer nur beleidigend einfach so etwas dahinsagten oder verletzende Witze machten. Ohne zu überlegen. Ohne nachzudenken. Ohne Gefühl. Sie redeten und lachten einfach nur so: über mich.

Aus dem Kind wurde ein Jugendlicher und aus dem Jugendlichen ein Erwachsener. Der Verantwortung habt ihr euch entzogen und gemeint, dass sich euer Sohn, euer eigen Fleisch und Blut irgendwie durch das Leben und die Prüfungen schlagen wird. Eine Gemeinsamkeit hat es leider nie gegeben, weil ihr euch, gemäss unserem Seelenplan, anders entschieden habt. Für mich aber ging der Weg des Leidens, des Nicht-geliebt-werdens und des Ausgestossen-seins immer weiter. Die Generationenprobleme sind geblieben und ihr habt euch aus der Verantwortung gezogen. Bewusst oder unbewusst. Jahrzehnte habe ich nach diesem Beispiel gelernt und gelebt wie ihr, eure Eltern und eure Grosseltern, eure Ur-Grosseltern, sowie deren Eltern und Grosseltern. Ihr habt so geliebt, wie ihr in der Lage gewesen seid, Liebe zu geben. Ihr habt gedacht und danach gehandelt, so wie ihr in der Lage gewesen seid, zu denken und handeln. Ihr habt so geredet, wie ihr in der Lage gewesen seid, zu reden. Und ihr habt so gelebt, wie ihr in der Lage gewesen seid, zu leben.

Uns allen ist aber das eine Gemeinsame geblieben: die unendliche und unerfüllte Sehnsucht nach der bedingungslosen Liebe und unserer ewigen Seelenheimat. Jahrzehntelang war auch ich auf der Suche danach, habe dabei unzählige Fehler gemacht, bin falsche Wege gegangen und habe geliebte Menschen verletzt. Ich durfte zwar immer wieder Lichtblicke in die andere Welt des Seins haben. Doch die Anstrengung war es mir nicht wert, mich selbst zu lieben, mich selbst zu erkennen und mich mit mir selbst auseinanderzusetzen. Zeit meines Lebens war ich euer und von euren und meinen Ahnen ein guter Schüler. Sich aus dem Sumpf ins Licht zu erheben bedeutet Mühe und Arbeit. Sich vom Rande des Moors wieder zurückgleiten zu lassen, war viel angenehmer und eigentlich ja ganz bequem. Ich habe schnell gelernt, dass es bedeutend einfacher ist, sich im dichten und abstumpfenden Nebel des Seins zu bewegen und damit nur vom Licht der Liebe zu träumen. Ich habe es gewagt, zu einem grossen Teil zu sein und zu werden wie ihr. Unabhängig der Schmerzen und der Leiden, die mich ein halbes Jahrhundert begleiteten. Ich habe ausgeharrt in den Tiefen der Verluste, die mich beinahe selbst das irdische Leben kosteten, bis ich den grössten Verlust eines Menschen erlitt, den ein liebender Vater erleiden kann. Ich habe so gehandelt wie ihr und all unsere Vorfahren. In der Liebe meines Sohnes, der mir mit seinem Übergang einen neuen Weg aufzeigte, durfte ich erkennen, dass es für uns Menschen aber einen noch viel grösseren Verlust geben kann: der Verlust von sich selbst. Indem wir uns aufgeben und uns dem ewigen Licht selbst entziehen. Indem wir unsere Träume und Wünsche aufgeben. Indem wir unsere eigene Angst nicht annehmen, um die bedingungslose Liebe zu leben.

Versteht mich bitte nicht falsch, meine unbekannten und doch geliebten Eltern. Ich klage nicht. Ich urteile nicht. Aber heute nehme ich es wahr und ich fühle es: Ihr seid ihr, so wie ihr seid. Ebenso all die Menschen, die in ihrem bewussten und unbewussten Sein die Finger in meine Wunden, meist sehr alte Wunden, gelegt haben, damit ich endlich aufwache und mein eigenes Sein leben darf. Nach unzähligen Leidensphasen durfte ich lernen, meinen eigenen Weg zu gehen und dadurch mich selbst zu sein. Ich habe erfahren dürfen, dass es sich immer und immer wieder lohnt, seine Träume und Wünsche nicht aufzugeben, an das Wunderbare und an das immer leuchtende Licht zu glauben. Heute darf ich die Liebe – die bedingungslose Liebe – leben, darf ich so sein, wie ich bin. Das war einst unser erkannter und immer wieder weggeschobene, gemeinsame Weg; von mir, von euch und jedem unserer Ahnen. Was ich euch heute aber allen sagen will: Ich verneige mich in Verbundenheit vor euch. Ich danke euch allen, für das was ihr gewesen seid und was ihr mir bewusst oder unbewusst weitergegeben habt. Durch das, was ich durch euch und mit euch erfahren habe, bin ich heute so wie ich bin. So habe ich auch auf Erden meine bedingungslose Liebe des Lebens gefunden, der ich in aller Freiheit und Offenheit, Demut und Dankbarkeit begegnen darf. Gemeinsam werde ich nun mit Nima den Weg des Lichtes und des Regenbogen-Lichtnetzes gehen. Und darum kann und darf ich euch heute mit weit geöffnetem Herzen voller Achtung sagen: ich liebe euch!

Marcel Tresch